„’Die Bundesregierung erklärt ihre feste Entschlossenheit … die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern.‘ Das ist Originalton des ersten Bundeskanzlers Konrad-Adenauer aus dem Jahre 1949. Auch die SPD lehnte es damals ab, eine Wiederaufrüstung ‚auch nur in Erwägung zu ziehen‘. 1956 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. DER LANGE ATEM dokumentiert dieses Kapitel Frühgeschichte der Bundesrepublik auf zwei Ebenen: Tonaufnahmen, Fotos und Wochenschauausschnitte wechseln ab mit der erzählenden Darstellung eines Zeitgenossen. Oskar Neumann, der im Dritten Reich wegen seiner politischen Widerstandsarbeit im KZ saß und später dann, in der ersten Phase der BRD, die KPD im Münchner Stadtrat vertrat, erzählt aus der Sicht des engagierten Militärgegners.“ (Jürgen Seeger in: Filmbeobachter 11/81)
Christoph Boekel hat den Film 1981 als Abschlussarbeit an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) fertiggestellt. Die HFF hatte als Produzent damals – bezeichnend für das politische Klima der Zeit von Radikalenerlass/Berufsverboten und Protesten gegen den Nato-Doppelbeschluss – die öffentliche Aufführung des bewusst Stellung beziehenden Films verboten.
Die nur zögerlich mitgeteilten und unhaltbaren Begründungen des Aufführungsverbot reichten von anfänglich eventueller „Verletzung von Rechten Dritter“ bis später „kommunistische Propaganda“ und „verfassungsfeindlich“. Auf der Berlinale 1982 beschloss der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm eine Protestresolution mit der Forderung nach Freigabe des Films. Auf dem Filmfestival in Oberhausen erhielt „Der lange Atem“ den Preis der deutschen Filmkritik für das Jahr 1982 mit ebenfalls der Forderung seiner unverzüglichen Freigabe. Unter dem öffentlichen Druck gab die Münchner HFF in einem außergerichtlichen Vergleich dem Filmemacher zumindest die Rechte an seinem Drehbuch zurück. Boekels Rechtsanwalt war der spätere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. Christoph Boekel drehte anschließend zusammen mit Beate Rose den Film in jetzt eigener Produktion neu: DER LÄNGERE ATEM. (1983).
Angesichts der gegenwärtigen Kriege und Aufrüstung lädt Die IPPNW-Regionalgruppe Nürnberg-Erlangen-Fürth ein, mit diesem nach 40 Jahren schon historischen Film einen Blick zurück zu wagen: zu dem staatlichen Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine antimilitaristische öffentliche Meinung lange überwog, aber bald militärische Konzepte der Konfliktbewältigung wieder mehrheitsfähig – und eine Friedensbewegung diffamiert und kriminalisiert wurden.
Der Film kann aufzeigen, dass Militarisierung und Aufrüstung auch heute nicht „alternativlos“ sind. Gerade wegen seiner historischen Parteilichkeit kann er dazu beitragen, die vorschnellen aber problematischen „Ja, aber…“ Reflexe in den aktuellen Konfliktdiskussionen zu thematisieren. Inwieweit gelingt uns Zuhören und Verstehen von fakten- und erfahrungsbasierten Haltungen, die sich von unseren unterscheiden?
Wir freuen uns, dass der Historiker Dr. Eckart Dietzfelbinger und der Filmemacher Christoph Boekel bei der Vorführung seines Films und der anschließenden Diskussion anwesend sein werden.
ViSP: IPPNW – Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V. Körtestraße 10, 10967 Berlin