Dieses Jahr etwas verändert:
Wir sind vom Dreiherrenbrunnen gestartet und bis zum Platz der Opfer des Faschismus gelaufen, wo dann einige von uns noch zur Kundgebung von SPD und Gewerkschaft gegangen sind. Gunhild hat dort für uns gesprochen.
Am Dreiherrenbrunnen gab es Redebeiträge von Fabian Kittel für das Bündnis für Frieden und Soziale Gerechtigkeit und von Eli Heyn für die IPPNW.
Rede von Fabian:
Bündnis für Frieden und soziale Gerechtigkeit Fürth
Rede zum Antikriegstag am 1. September 2023 am DreiHerrenBrunnen Fürth
Liebe Friedens–Freundinnen und Freunde,
heute vor 84 Jahren, am 1. September 1939, überfielen deutsche Truppen Polen. Damit wurde der 2. Weltkrieg begonnen, ein Krieg, der erst 6 Jahre später von den Alliierten zu Ende gebracht wurde. Ein grausamer, brutaler Krieg, der 60 bis 70 Millionen Menschen den Tod brachte, davon rund 26 Millionen Tote alleine in der Sowjetunion. Welches unendliche Leid hinter diesen Zahlen steht, ist uns wahrscheinlich nur schwer vorstellbar. Aber jeder einzelne Tote hat unendliches Leid verursacht. Dazu kommen die vielen Verletzten und die vielen Flüchtlinge. Nach Ende des 2. Weltkriegs haben alle Friedenshoffnungen der Überlebenden getrogen. Seit 1945 war die Welt lediglich 26 Tage ohne Krieg.
Seit 1957 wird in der Bundesrepublik der 1. September von Friedensorganisationen und Gewerkschaften im Gedenken an den 2. Weltkrieg als Antikriegstag begangen. „Nie wieder Krieg“ lautete damals das Motto, das noch heute sehr aktuell ist, ein Motto, das nicht allen gefällt. Friedensfreunde und Friedensfreundinnen werden heute mehr denn je diffamiert. Herr Bundeskanzler Olaf Scholz trat vor zwei Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung der SPD am Münchner Marienplatz auf. Dabei hat er auch über den Ukraine–Krieg gesprochen und Kritiker des Kriegskurses der Bundesregierung als »gefallene Engel, die aus der Hölle kommen“ bezeichnet. Gemeint waren einige dieser „Höllen–Kreaturen“ die auf Transparenten etwa „Verhandeln statt Schießen!“ oder „Waffenstillstand und Friedensverhandlungen“ einforderten. Er beschimpft sie dafür, gegen den Krieg zu sein, dafür, dass sie DAS Recht in Anspruch nehmen, das er selbst bei seiner Kriegsdienstverweigerung zum Ausdruck gebracht hat. Was geht in einem Kanzler vor, der religiöse Rhetorik für die Rechtfertigung eines Stellvertreterkrieges in Osteuropa nutzt? Wenn es nur die miserable Bildsprache wäre, könnte man ja noch stillschweigend darüber hinweggehen. Aber glaubt Bundeskanzler Olaf Scholz ernsthaft, dass jegliches Bemühen um Frieden Teufelszeug ist und Konflikte auf dieser Welt am besten durch möglichst viele Waffen gelöst werden? Dieser Satz fügt sich in das Gesamtbild von Kriegspropaganda, dazu, ein Feindbild aufzubauen Uns in der Friedensbewegung wurde bereits vorgeworfen, wir seien »Lumpenpazifisten« oder die fünfte Kolonne Moskaus. Olaf Scholz katapultiert die SPD nun ins Jahr 1914 zurück, eine SPD für immer mehr Waffen und Geld zur Verlängerung des
Krieges, diesmal nicht in Frankreich sondern in der Ukraine. Das Motiv dafür ist klar – Kritiker zu Abgesandten des Teufels zu erklären, macht es einfach für die Verlängerer des Krieges: Mit Höllen–Kreaturen muss man nicht mehr.
Dabei ist ganz klar: Wir müssen mehr denn je reden.
Wir sagen: Die Welt braucht Frieden!
Deutsche Waffen, deutsches Geld, deutsche Wirtschaftsinteressen brauchen aber wohl den Krieg.
Beispiel Afrika: Die EU will offenbar im Herbst eine sogenannte zivil–militärische Mission mit deutscher Beteiligung am Golf von Guinea in Westafrika starten. Eine bisher noch nicht genau bestimmte Zahl an Polizisten und Soldaten soll ab nächsten Monat in den Ländern Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Benin zum Einsatz kommen. Der Westen macht in Afrika mit Kolonialkriegen und gewaltsamer Beseitigung unabhängiger Regierungen so weiter wie bisher. Ob Öl in Libyen, Uran in Niger oder Gold in Mali – das Recht des »weißen Mannes« auf alleinige Ausbeutung von Bodenschätzen wird mit Militärschlägen verteidigt, damit die einheimischen Habenichtse da bleiben, wo sie sind: ganz unten. Migranten Richtung EU verdursten in der Wüste oder ertrinken im Mittelmeer, auch in dieser Hinsicht hat die Friedensnobelpreisträgerin EU eine Mission.
Wir sagen: Die Welt braucht Frieden!
Beispiel Naher Osten: Nach einem Bericht der US– Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben saudische Grenzschützer allein in den Monaten März bis Juni 2023 Hunderte äthiopische Migranten und Asylsuchende getötet, die versucht hatten, über den Jemen in die Golfmonarchie zu gelangen. Erschossen wurden sie mit schweren Waffen aus nächster Nähe. Auch viele Kinder und Frauen sollen sich unter den Opfern befinden. Im Jahr 2009 hatte die damalige Bundesregierung ein »Sicherheitsabkommen« mit Riad vereinbart, in dessen Rahmen die Bundespolizei seit dem Jahr 2012 die Ausbildung der saudischen Grenztruppen übernommen hat, Grenztruppen, welche nach Presseberichten wohl an den Massenhinrichtungen beteiligt sind, deutsche Waffen eingesetzt haben und dazu aus Deutschland gelieferte »LUNA«–Überwachungsdrohnen, mit denen Flüchtlinge aufgespürt werden können.
Wir sagen: Die Welt braucht Frieden!
Beispiel Ukraine: Wir erinnern uns: Anfangs lieferte die EU Stahlhelme und Sanitätsausrüstung für den Krieg in die Ukraine. Dann wurden es diverse Geschütze, dann Panzer, nun Kampfflugzeuge und Marschflugkörper. Die EU will sich den Krieg in der Ukraine nun noch deutlich mehr kosten lassen als bisher. Wie der US–Sender Radio Free Europe meldet, sollen sich die Außen– und Verteidigungsminister der EU im spanischen Toledo darauf verständigen, die Waffen– und Finanzhilfen für die Ukraine ab 2024 auf jährlich fünf Milliarden Euro über die Dauer von zunächst fünf Jahren zu erhöhen. Die EU plant mit einem langen Krieg und nicht mit Frieden. Wer hat wohl Interesse an einem langen Krieg? Russland ist hier Aggressor, Russland greift die Ukraine an, es sterben ungezählte Menschen – Soldaten wie Zivilisten – auf beiden Seiten. Das ist ein Verbrechen und muss sofort aufhören. In diesem Krieg sterben täglich Menschen auf beiden Seiten. Der Krieg dauert unendlich lange. Zwischen 2014 und 2022 wurden die im abtrünnigen Donbass lebenden Menschen beschossen. Unterdessen zitierte die New York Times US–Militärs mit der Aussage, die Ukraine verschieße die aus dem Westen gelieferte Munition schneller, als die NATO nachliefern könne. Dem Artikel vom Wochenende zufolge hat allein die ukrainische Seite seit Kriegsbeginn etwa zwei Millionen Granaten des schweren Kalibers 155 Millimeter verschossen. Auch diese Zahl zeigt: Welch ein unglaublicher Wahnsinn des Krieges!
Wir sagen: Die Welt braucht Frieden!
Die Scholz’sche Zeitenwende heißt Kriegsbeteiligung.
Zeitenwende heißt Sozialabbau!
Die Auseinandersetzungen über Sozialkürzungen zugunsten von Militärausgaben und 2%-Ziel sind eröffnet. Der wohlgepflegte Mythos von der angeblich kaputtgesparten Bundeswehr liefert den Nährboden, auf dem Forderungen nach drastischen Erhöhungen der Militärausgaben schon seit Jahren prächtig gedeihen. So stieg der Militärhaushalt von (umgerechnet) rund 24 Mrd. Euro im Jahr 2000 bereits deutlich auf etwa 32,5 Mrd. Euro im Jahr 2014 an. Von da ab ging es mit den Militärausgaben erst richtig steil bergauf: Sie kletterten von 34,3 Mrd. Euro (2016) über 38,5 Mrd. Euro (2018) und 45,7 Mrd. Euro (2020) bis auf 50,4 Mrd. Euro (2022) noch vor der Ausrufung der sogenannten Zeitenwende deutlich nach oben. Ohne die Mär von der angeblich chronisch unterfinanzierten Bundeswehr wäre es – neben dem Schock durch den russischen Angriff auf die Ukraine – Kanzler Olaf Scholz wohl kaum möglich gewesen, in seiner „Zeitenwende–Rede“ am 27. Februar 2022 das Sondervermögen der Bundeswehr von 100 Mrd. Euro in Tateinheit mit Militärausgaben von mindestens 2% des BIP auszurufen. Nach NATO–Kriterien will die Bundesregierung im nächsten Jahr 85,5 Mrd. Euro für die Bundeswehr ausgeben. Das ist mit Abstand der größte deutsche Militärhaushalt aller Zeiten! Das sind 17 Mrd. Euro mehr als 2023. Gleichzeitig mit dem Haushaltsentwurf 2024 wurde von Finanzminister Lindner auch die Finanzplanung bis 2027 vorgelegt, laut der zwischen 2024 und 2027 nun Mehrausgaben für Rüstung gegenüber der vorherigen Version von rund 7,3 Mrd. Euro vorgesehen sind. Militärausgaben von 2% des BIP, das wären 2027 rund 95 Mrd. Euro, ein „gut 60 Prozent vergrößertes reguläres Kriegs– oder, wie es heißt Verteidigungsbudget.“ Aufgrund der sogenannten Schuldenbremse wird eine Verstetigung der Zeitenwende auf Kosten nahezu aller anderen Ministerien gehen – am Ende steht man vor einer simplen Wahl: „entweder die Kürzung sozialer Leistungen oder das Scheitern der Zeitenwende für die Bundeswehr.“ Denn der einzige Posten im Bundeshaushalt, der die Masse dieses zusätzlichen Bedarfes decken könnte, ist der des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Den Kampf gegen Kinderarmut hat die Bundesregierung aufgegeben. Zur Finanzierung der Aufrüstung der Bundeswehr soll bei Kindern, Bildung, Gesundheit, Rente, Demokratie und humanitärer Hilfe der Rotstift angesetzt werden.
Wir sagen: Die Welt braucht Frieden!
Wir können uns den Krieg und den mit dem nächsten Bundeshaushalt einhergehenden Sozialabbau nicht leisten!
Wie kann Deutschland, wie könnte Olaf Scholz dazu beitragen, den Krieg zu beenden und sich den Aufgaben der Zukunft zu widmen? Das Nürnberger Friedensforum formuliert hier für die Friedensbewegung Forderungen:
Wir fordern von der Bundesregierung: Waffenlieferungen einstellen
Der Krieg und das Sterben werden durch weitere Waffenlieferungen nur verlängert. Die offensive Rolle der NATO birgt die Gefahr, dass sich der Krieg ausbreitet. Ein Atomkrieg ist weiterhin möglich. Mit seiner Beteiligung am Krieg steht Deutschland in der Verantwortung für den Frieden.
Wir fordern von der Bundesregierung: Sanktionen beenden
Auch die Sanktionen gegen Russland beenden den Krieg offenkundig nicht, was auch Außenministerin Baerbock zugeben musste. Stattdessen treiben sie die Preise für Energie und Lebensmittel nach oben. Laut Angaben der UN hungern dieses Jahr 828 Millionen Menschen. Hierzulande ist jeder vierte Haushalt von Energiearmut betroffen. Der Krieg und die Sanktionen tragen einen wesentlichen Anteil daran.
Wir fordern von der Bundesregierung. Gebt 100 Milliarden für unsere Zukunft statt für Waffen
Die Menschen hier werden mit zu kleinen Hilfspaketen abgespeist. Für internationale Vorhaben sind die Mittel noch kärglicher. Üppige Geschenke erhält stattdessen die Rüstungsindustrie: Die Bundeswehr wird mit 100 Milliarden Euro aufgerüstet. Das Geld fehlt zur Lösung der anstehenden Zukunftsaufgaben und befeuert eine weltweite Rüstungsspirale.
Wir fordern von der Bundesregierung: Verhandeln – jetzt!
Statt mehr Waffen oder Sanktionen brauchen wir einen Fahrplan zur Wiederherstellung des Friedens in Europa. Der erste Schritt dazu ist die Wiederaufnahme von Verhandlungen unter Einbeziehung internationaler Vermittler. Das muss auch von der Bundesregierung mit Nachdruck eingefordert werden.
Wir wissen: Ohne Druck von unten wird nichts passieren. Nur wenn die Menschen weltweit zusammenhalten, können sie die weltweiten Probleme gemeinsam lösen. Hoch die internationale Solidarität mit allen verfolgten Antifaschist:innen und Kriegsgegner:innen. Achten wir das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung überall, stärken wir das Asylrecht! Kämpfen wir gegen Hochrüstung und kriegerische Lösungen in der politischen Auseinandersetzung. Klar ist: Die Zeche für Kriege bezahlen wir, die normalen Menschen, Gewinner sind die Rüstungskonzerne. Seien wir solidarisch in diesen kriegerischen Zeiten mit den Verlierern der Kriege.
Die Welt braucht Frieden, keine Kriege.
Rede von Eli Heyn:
Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!
Heute feiern wir einen Tag, der eigentlich Normalität sein sollte: den Antikriegstag.
Es ist schon bezeichnend und sehr betrüblich, daß wir eines solchen Tages überhaupt bedürften – sollte nicht jeder Tag ein Tag des Friedens sein und Krieg in die Mottenkiste der Geschichte verbannt werden?
Aber offensichtlich ist dieser Tag nötig, und die spärliche Zahl derer, die ihn begehen und gegen eine fast zum Alltag erhobene Kriegsbereitschaft demonstrieren, beweist es: denn wir stehen heute hier, um mit aller uns verfügbaren Kraft an den Frieden als einzig mögliche Option des Zusammenlebens zu mahnen und ihn als gangbaren Weg einzufordern – verbunden mit einem sofortigen Waffenstillstand und einem Ende eines jeden Kriegs – ganz besonders jedoch aktuell des Stellvertreterkriegs in der Ukraine.
Um einen Pazifisten aus dem Lande selbst, Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistische Bewegung, zu Wort kommen zu lassen, sei hier ein Auszug aus seinem Beitrag anläßlich der Ostermärsche diesen Jahres zitiert:
„Seien wir uns darüber im Klaren, dass kein Krieg und keine Kriegsvorbereitungen zu entschuldigen sind. Vielmehr entsprechen nur Vorbereitungen für die Abschaffung des Krieges und eine gewaltfreie Lebensweise der Würde der Menschheit. Kein militärischer Sieg kann Frieden bringen, wenn überhaupt ein Sieg in einem Stellvertreterkrieg zwischen Großmächten möglich ist, was ich bezweifle.
Die Menschenrechte und Rechte der Natur sind viel wichtiger als die feudalen Vorstellungen von Souveränität und territorialer Integrität. Jetzt geht es vor allem um unsere Menschlichkeit, um unsere Fähigkeit, miteinander zu reden und das Leben zu respektieren, anstatt zu töten und sich selbst zu zerstören.“ Zitat Ende.
In der Ukraine dreht sich jedoch die mörderische Kriegsspirale immer weiter. Seit Beginn der russischen Invasion wurde ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Laut UN handelt es sich um die größte Vertreibungskrise der Welt
Als Mitglied der IPPNW möchte ich auf eine der letzten Eskalationsstufen dieses Krieges besonders hinweisen: die Nutzung von uranhaltiger, panzerbrechender Munition. Auch die aus Deuschland beigesteuerten Marder-Panzer können solche Geschosse verwenden, die von z.B. Großbritannien in die Ukraine geliefert werden.
Diese sogenannte DU Munition also Depletet Uranium Munition enthält u.a. abgereichertes Uran 238. Uran 238 ist ein hochgiftiges Schwermetall und ein radioaktiver Alphastrahler und er fällt als billiger Müll in Kernkraftwerken an. Er kam bereits in beiden Golfkriegen und im Kosovokrieg zum Einsatz – mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung bis heute: das Risiko, an Krebs zu erkranken ist in belasteten Gebieten besonders für Kinder um bis zu 40x erhöht. Die lange Halbwertszeit von grob 4,5 Milliarden Jahren verseucht den Boden in Gegenden, in denen DU-Munition verpulvert wurde, für eine unvorstellbar lange Zeit.
Nach Auskunft des Bundesverteidigungsministeriums sei Einsatz von DU-Munition auf Truppenübungsplätzen der Bundeswehr nicht erlaubt, Soldaten der Bundeswehr bekommen eine besondere Schutzausrüstung, wenn sie mit der Munition in Kontakt zu kommen drohen.
Aber die NATO möchte die Ukraine mit dem Einsatz von dieser Giftmunition retten – eine Paradoxie, gegen die wir mit aller Entschiedenheit protestieren müssen.
Deshalb fordern wir, auch im Namen aller Menschen, die vom Krieg direkt betroffen sind:
– keine Waffenlieferungen in die Ukraine, stattdessen
– die Unterstützung diplomatischer Initiativen und Verhandlungen unter dem Dach der UN sowie
– ein sofortiges Ende aller Kriegshandlungen.
Der Antikriegstag darf nicht als Ausnahme gefeiert werden, sondern an jedem Tag des Jahres zur Normalität werden.
Unsere Menschlichkeit ist zu kostbar, um sie durch Bomben zerstören zu lassen.
Mit Bändern verbunden, weil wir für Hand-in-Hand laufen leider noch zu wenige waren, sind wir durch die Fußgängerzone gegangen bis zur kleinen Freiheit.
Eva-Maria Brütting sprach dort für die Seebrücke:
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
heute, am 01.09., ist Antikriegstag. Vor 84 Jahren überfiel Deutschland das Nachbarland Polen.
Der Zweite Weltkrieg begann.
Mit dem Überfall auf Polen veränderte sich das Leben von Tausenden, später von Millionen Menschen. Nicht nur das der Soldaten, vor allem das der überfallenen Bevölkerung. Wer nicht gleich starb, floh vor den mordenden und plündernden Soldaten. So auch die Mütter von einigen von uns, damals selbst noch Kinder. Sie mussten ihre Heimat verlassen, ihre Spielkameraden und oft Teile ihrer Familie sowie das Wohnhaus zurück lassen. Die Väter wurden eingezogen, mussten an die Front und selber töten. Die Mütter und die Kinder – ohne Nachricht von ihren Männern, Vätern – zogen in langen Trecks Richtung Westen, mussten sich bei Bauern verstecken und irgendwie durchschlagen. Sie hungerten. Nach entbehrungsreichen Wochen oder Monaten, manche von ihnen überfallen oder vergewaltigt, kamen sie in der relativen Sicherheit des zerstörten Deutschlands an.
Dort waren sie Bittsteller, wurden manchmal zwangsweise einquartiert in ein Zimmer bei wohlhabenderen Familien mit großen Wohnungen. Die Männer waren häufig in Kriegsgefangenschaft, die Frauen mussten sich und die Kinder mittels mehrerer Arbeitsstellen durchbringen. Auch wenn nicht jede und jeder froh war über die vielen Flüchtlinge v. a. ab 1945, waren doch die Aufnahme- und die Hilfsbereitschaft groß. Die Menschen aus den sog. Ostgebieten konnten sich Schritt für Schritt ein neues Leben aufbauen.
Und heute? Heute sind es keine Deutschen, die zu uns fliehen. Heute kommen Menschen aus allen Teilen der Welt zu uns und suchen Asyl, d. h. Sicherheit, und wollen ein neues Leben für sich und ihre Familien aufbauen. Auf ihrer Flucht haben sie häufig ganz ähnliche Gräuel erlebt, wie unsere Mütter und Großmütter damals. Sie finden hier bei uns oft auch Hilfsbereitschaft und Unterstützung. Aber nicht immer: Bei manchen in der Aufnahmegesellschaft steht die Angst im Vordergrund, der zugewanderte Fremde könnte etwas wegnehmen. Ist Krieg in Afghanistan oder in Äthiopien weniger schlimm als die Verheerungen der Wehrmacht und in Folge der russischen Armee im Osten Deutschlands? Haben Kriegsflüchtlinge aus dem Irak, aus Syrien, aus dem Sudan und vielen, vielen anderen Ländern, in denen gerade Krieg herrscht, weniger Recht auf Schutz und Hilfe als unsere Mütter 1940 und danach? Warum schlägt geflüchteten Menschen heute so oft Ablehnung und Misstrauen entgegen, z. Bsp. wenn sie eine Wohnung suchen oder eine Arbeitsstelle? Der Umgang mit den über 1 Million ukrainischen Geflüchteten in
den letzten 1,5 Jahren zeigt, dass es auch anders, besser geht. Zuallererst von Seiten der Politik, aber auch von der Zivilgesellschaft, die plötzlich zahllose Zimmer und Wohnungen bereitstellen konnte.
Der Antikriegstag hieß früher in der DDR „Weltfriedenstag“. „Nie wieder Krieg!“ ist die Botschaft des Antikriegstages. „Friede auf der Welt“ heißt das ins Positive gewendet. Und das bedeutet mehr als die Abwesenheit kriegerischer Handlungen. Lasst uns den Satz mit Inhalt füllen! Auch und gerade vor Kriegen geflohenen Menschen gegenüber, egal aus welchem Land.
Für das Friedensforum sprach Marion Denk:
Liebe Friedensfreunde, liebe Friedensfreundinnen,
In letzter Zeit ertappe ich mich immer wieder bei etwas nostalgischer Rückschau auf die Zeiten, als die Friedensbewegung noch wirklich groß war. Z.B. die Menschenkette gegen die Pershing II bei Mutlangen, die ist im Oktober 40 Jahre her, da waren 400 000 Menschen auf der Straße, Hand in Hand gegen Atomraketen. Um direkt etwas zu erreichen, waren sie leider auch damals zu wenig, aber später sagte Michael Gorbatschow, dass ihm die Friedensbewegung Mut gemacht hat für seine Politik.
Heute fühlt man sich richtig einsam, wir sind nur kleine Gruppen, und Menschen, von denen man das nie erwartet hätte, sprechen sich für Waffenlieferungen aus und bei manchen hat man den Eindruck, sie würden lieber heute als morgen einen großen Krieg anfangen, verharmlosen den Atomkrieg und sehen Krieg als Abenteuer und moralische Verpflichtung.
Diese hohe Moral, die so scheinheilig nur nach Russland zeigt und die eigenen Schandtaten geflissentlich übersieht, die bringt uns im schlimmsten Fall alle um.
Deswegen, auch wenn wir wenige sind, gehen wir heute Hand in Hand durch die Stadt, für Frieden nicht nur mit Russland, sondern auch in den anderen ca. 40 Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen, die aktuell auf der Welt stattfinden. Viele dieser Kriege würde es gar nicht geben, wenn nicht der Westen immer noch eine verbrecherische Kolonialpolitik betreiben würde. Die Länder des globalen Südens haben uns inzwischen satt und im Gegensatz zu dem, was man uns gerne weismacht, sind viele Länder im Ukrainekrieg nicht auf der Seite des Westens, im Gegenteil, sie nutzen inzwischen die Gelegenheit, sich unabhängig zu machen, so wie das z.B. aktuell im Niger geschieht.
Das zeigt, dass wir dringend eine Veränderung der westlichen Politik brauchen, in erster Linie natürlich keine Waffenlieferungen an die Ukraine und auch sonst nirgendwo hin.
Was es aber auch braucht ist eine Politik, die andere Länder nicht nur als Rohstofflieferanten betrachtet. Unsere Einmischung hilft den Menschen nicht, die Sanktionen und Kriege töten Menschen und zerstören die Länder.Mitglieder unserer Regierung spielen sich als die großen Klimaretter auf, aber was Waffen und Krieg mit dem Klima anstallen ist ihnen genauso egal wie die Zerstörung der Natur in anderen Ländern für unsere Rohstoffe. Egal ist ihnen auch, was die Kriegspolitik in unserem Land anstellt. Gestern habe ich gelesen, dass allein der Ukrainekrieg bis jetzt jeden einzelnen Bürger, jede Bürgerin, vom Baby bis zum Urgroßvater, 14 000 € kostet. Wenn ihr das jetzt hättet, jeder von Euch 14 000 €, da würde euch sicher besseres als Waffen einfallen, wofür ihr das Geld dringend brauchen könntet. Grad heute wo alles ständig teurer wird. Ich muss es Euch nicht vorrechnen, ihr wisst es selber, hier ein Euro mehr, da einer mehr, und so wie es ausschaut, wird da noch einiges mehr auf uns zukommen. Wenn wir die Entwicklung nicht aufhalten, dann sollten wir mal ein bisschen recherchieren, wie es in Russland zu Jelzins Zeiten zuging, weil das ist leider eine realistische Prognose für Deutschland in fünf Jahren.
Wir sparen ja schon seit Jahren am Lebenswichtigen, an den Schulen, den Krankenhäusern, der öffentlichen Daseinsvorsorge, und jetzt eskaliert dieser Sparkurs. Inzwischen ist es schon so weit, dass manche Menschen nicht mal mehr einen Hausarzt haben, weil die Ärzte so überlastet sind, dass sie keine Patienten mehr annehmen. Und wehe dem, der einen Spezialisten braucht… Die Kindergrundsicherung ist auch auf ein Minimum zusammengeschrumpft worden, wie immer leiden die Schwächsten am meisten unter mieser Politik.
Krieg ist unsozial und zerstörerisch, auch dort wo er nicht direkt wütet, aber schlimmer ist es natürlich für die Menschen, die direkt in den Kriegsgebieten leben oder als Soldaten eingesetzt werden. Täglich Angst, nicht wissen, ob man den Tag überlebt, Freunde, Geliebte Menschen, die sterben oder verstümmelt werden, das bisschen, was man sich aufgebaut hat, wird zerstört, es trifft ja auch immer zuallererst die, die keinen Millionen auf dem Konto haben, die nicht einfach in ihrer Villa im Ausland aufs Kriegsende warten können, die bleiben oder sich mit einem Rucksack voll mit dem Nötigsten auf den Weg machen müssen. Je länger wir darauf bestehen, bis zu einem Sieg über Russland zu kämpfen, je mehr an Leben, an Glück wird zerstört.
Die Bundesregierung muss all ihre Möglichkeiten dafür einsetzen, dass es endlich Verhandlungen gibt, muss die Waffenlieferungen einstellen und darf nicht auch noch Taurus-Raketen liefern, auch wenn der Selenski damit droht, die letzte Pipeline durch die Ukraine auch noch zu blockieren. Nun höre ich öfter, mit so jemandem wie dem Putin verhandelt man doch nicht. Nun hat unsere Regierung ja sonst keine Skrupel, mit jedem Tyrannen der Welt Händchen zu halten, wie der Herr Habeck ja bei Bin Salman so schön demonstriert hat.
Aber eines sollte uns der heutige Gedenktag an den Beginn des zweiten Weltkriegs besonders in Erinnerung rufen: 1945, an seinem Ende, als Deutschland endlich gestoppt war, da hieß es nicht, man will nie mehr etwas mit Deutschland zu tun haben, da wurden Hände ausgestreckt, auch von den Russen. Die deutsche Nachkriegsgeschichte hätte sonst ganz anders ausgesehen. Wir sollten daraus lernen und verhandeln und den Krieg beenden, so schnell es geht, wir haben nur diese eine Welt und sind gerade auf dem Weg, sie endgültig zu zerstören, wenn wir nicht umkehren und einander die Hände reichen und gemeinsam die vielen Probleme angehen.
Dann ging es weiter zur Jakobinenstraße, wo unsere Demo endete.
Bei der Kundgebung am Platz der Opfer des Faschismus sprach Gunhild Hartung für das Friedensforum.
Rede von Gunhild:
Ungebrochene Solidarität – das DGB-Motto vom 1. Mai 2023
Solidarität mir wem? Mit Regierungen? Mit Konzernen und Investoren?
Nein! Wir sind solidarisch mit den ArbeitnehmerInnen und ihren Familien, und das weltweit:
In den USA wie in China, in der Ukraine wie in Russland, in Afrika wie in den Anden. Nirgendwo haben die Menschen atomar verseuchte Munitionsreste verdient! Nirgendwo sollen sie ihr sein Leben mit den Folgen von Minen und Streubomben fristen müssen!
Das sind nach wie vor die Fakten:
Tausende Ukrainer und Russen sterben sinnlos durch moderne Waffen, ob durch Drohnen, Streubomben, Marschflugkörper; weite Landstriche werden zerstört.
Die Folgen des Krieges sind global:
weltweit steigen die Lebenshaltungskosten; werden Lieferketten zerrissen; kollabieren Sozialsysteme; wächst die Schere zwischen Arm und Reich. Millionen Migranten flüchten; Staatshaushalte verschulden sich immer stärker zugunsten der Waffenprofiteure; der ökologische Irrsinn eskaliert immer schneller, auch durch diesen Krieg.
Schließlich droht die Welt irreparabel in Scherben zu fallen, sei es durch die galoppierende ökologische Krise, sei es durch einen Dritten Weltkrieg – womöglich mit Atomwaffen.
Auch in Fürth werden die Folgen der Militärausgaben unübersehbar (s. FN von gestern):
Wer in Kriege investiert, die Militärausgaben hochschraubt wie die Bundesregierung, muss schließlich im Sozialbereich kürzen. z.B. ½ Milliarde im Haushalt von 2024, knapp 1 Milliarde geplant für 2025 allein in der beruflichen Förderung, der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen, Jobcenter und Sozialverbände sind entsetzt. Für Bildung, Klimaschutz, Nachhaltigkeit gibt’s Almosen, aber Bundeswehr und Rüstungskonzerne kriegen die Steuergelder. Locker weerden 8,5 Mrd. Für die Anschaffung von atomwaffenfähigen F35-Bomber beschlossen….
Vor 40 Jahren haben gegen ähnliver Brschlüsse 400 Tsd. In Mutlangen p rotestiert.
Schon einmal sollte am „deutschen Wesen die Welt genesen“. Heute heißt das obskure Wesen „Westliche Werte“. Machthaber, die undefinierte „Westliche Werte“ vertreten werden hofiert, afrikanische, südamerikanische Staaten, die sich von kolonialen Strukturen der westlichen Wertevertreter lossagen, werden verunglimpft und bedroht. Die Mobilmachung läuft.
Wer hierzulande dabei nicht mitspielen will, macht sich im Regierungssprech „mit der AFD gemein“, wird diffamiert. Auch die Friedensbewegung. Olaf Scholz vor ein paar Tagen anlässlich einer Wahlkampf- Veranstaltung der SPD in München: „das sind gefallene Engel aus der Hölle“. Wir haben schon überlegt, heute mit Flügeln und Hörern aufzutreten – aber die Zeiten sind viel zu ernst für solche Verkleidungen.
Lasst Euch nicht ins Bockhorn jagen, schaut genau hin, hört genau zu! Lernt uns kennen, redet mit uns! Fragt nach, falls Ihr was nicht gleich nachvollziehen könnt! Wir sind nicht allwissend, aber kennen unser Ziel: eine Welt ohne Kriege. Und wir fangen hier an.
Seit 40 Jahren hat diese Bewegung ihre Richtung nicht verändert. Aber: nicht alle, die vor 40 Jahren in Mutlangen gegen die atomare Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen in der Menschenkette standen, würden das heute noch
vertreten. Unsere Menschenkette heute ist klein.
Das ist wohl das Dilemma von Vielen:
Mit wem sind wir solidarisch?
Mit Regierungen….? Mit Menschen? Konzernen?
Entscheidet Euch für Menschen statt für Militarisierung der Gesellschaft!
Beendet den Ukrainekrieg!